Bergedorfs zweiter und dritter Bahnhof
(aus: Gerd Hoffmann "Bergedorf bei Hamburg")
Bergedorfs heutiger Bahnhof am Weidenbaumsweg ist der zweite Bau für
die Fernbahnstrecke Hamburg-Berlin. Als im Mai 1842 die Eisenbahn von
Hamburg, nach Bergedorf eröffnet wurde, waren das kleine Holzgebäude
mit Turm (Neuer Weg 54) und »Frascati« vorerst die Endstation
in Bergedorf.
Als die 1840-42 geplante Strecke nach Berlin weitergeführt werden
sollte, forderte der Dänenkönig, daß seine Amtssitze
Reinbek und Schwarzenbek Bahnanschluß erhalten sollten. Nicht
wie ursprünglich geplant über Geesthacht, Lauenburg, Boizenburg,
sondern über Reinbek, Schwarzenbek, Büchen nach Boizenburg
ging nun die endgültige Strecke.
Damit war in Bergedorf innerhalb kurzer Zeit ein zweiter Bahnhofsbau,
diesmal an der damaligen Kampstraße/Holstenstraße, zu erstellen.
Die Bahnhöfe für Bergedorf, Reinbek, Schwarzenbek und Ludwigslust
waren von demselben Architekten erbaut; alle Bahnhöfe ähnelten
sich. Am 15. Dezember 1846 wurde dann die Strecke Hamburg-Berlin in
Betrieb genommen. Fahrzeit damals 9 Std. 15 Min., wobei 1853 der sog.
Courier-Zug nur 6 Std. 30 Min. brauchte und 1869 schon die Fahrzeit
für den Personenzug mit 7 Std. 27 Min. angegeben wurde... Wenige
Jahre nach 1900, die Zugfolge war enger geworden, baute man einen Tunnel
vom Bahnsteig 1 (von Hamburg kommende Züge) zum Bahnsteig 2 (Abfahrt
der Züge nach Hamburg). Die Gefahren für die Reisenden waren
beim Überqueren der Gleise zu groß geworden!
Doch wenn vom (zweiten) „alten“ Bahnhof Bergedorf die Rede
ist, wollen wir nicht vergessen, daß neben diesem alten Bahnhof
ab 1906 der Bahnsteig der Bergedorf-Geesthachter Bahn lag; man konnte
also bequem umsteigen.
Ende November 1927 hieß es im „Hamburger Fremdenblatt“:
„Der Umbau des Bergedorfer Staatsbahnhofes, der zu den ältesten
Bahnhöfen Deutschlands gehört, erbaut zu einer Zeit, da Bergedorf
nur 2.500 Einwohner hatte, scheint nunmehr ernstlich ins Auge gefaßt
zu sein. Der Bergedorfer Wirtschaftlichen Vereinigung wurde auf eine
Eingabe vom Reichsverkehrsminister mitgeteilt, daß die Reichsbahngesellschaft
und die Hamburger Senatskommission die grundsätzlichen technischen
Fragen für so weit geklärt hielten, daß über die
Frage der Kostenverteilung verhandelt werden kann.“
Nach dieser Mitteilung, die in allen Bergedorfer und Hamburcer Tageszeitungen
gleichartig klang, dauerte es noch zehn Jahre, bis der neue Bahnhof
endlich eingeweiht werden konnte. Unendliche Schwierigkeiten waren zu
überwinden, weil der Bahnkörper höher gelegt worden mußte,
ohne daß der Zugverkehr auf der Hauptstrecke Hamburg-Berlin und
der Vorortverkehr Hamburg-Bergedorf-Büchen behindert werden durften.
Auf den zwei Gleisen am alten Bahnhofsgebäude wurde der gesamte
Fern-, Güter- und Vorortverkehr bewältigt. Allein acht Schnell-
und Eilzugpaare fuhren täglich auf der Strecke! Daher wurde eine
Spundwand errichtet, der Damm nördlich der Spundwand geschüttet
sowie die neuen Bahnsteige 3 und 4 gebaut. Dann konnten die schienengleichen
Straßenübergänge „Alte Holstenstraße«
und »Kampchaussee« aufgehoben und die Bahnsteige 1 und 2
geschüttet werden. Am 3. Oktober 1933 war die Kampchaussee- und
am 7. Dezember 1934 die Holstenstraßen-Eisenbahnbrücke fertig.
Schon ab 30. November 1934 konnte die Lohbrügger-Seite durch ihren
eigenen Ausgang erreicht werden. Auch geht ab November 1934 der Zugverkehr
Hamburg-Berlin-Hamburg über die jetzt fertigen hochgelegten Gleise
von Bahnsteig 2.
Im Sommer 1936 wurden auch die Hochbauten auf der Bergedorfer Seite
in Angriff genommen und der neue Bahnhofsplatz gestaltet...
Der Umbau des Bahnhofs bedingte ferner den Bau von vier neuen Stellwerken,
Personen- und Gepäcktunnel, Bahnsteig- und Treppenüberdachung,
sowie drei neuen Brücken und einer Fußwegüberführung...
Groß war die Freude, als am 29. Oktober 1937 - nach achtjähriger
Bauzeit - der neue (dritte) Bahnhof in Betrieb genommen werden konnte.
Das „Empfangsgebäude“ auf der Bergedorfer Seite hatte
die großer Schalterhalle, Gepäckbeförderung, Bahnhofsrestaurant,
Wartesaal, WC Anlage und Kiosk. Westlich entstand noch ein Bahnmeister-Dienstgebäude
mit Wohnung für den Dienststellenvorsteher. Für eine Fahrrad-Aufbewahrung
war Platz in der überdachten Gepäck-Karrenbahn im Verbindungsbau
vorgesehen. Alle Bahnhofsgebäude sind in sog. rotbunten Klinkern
kleineren Formats ausgeführt; für Tür- und Fensterwände
wurden Thüringer Muschelkalkstein und Kunstwerkstein verwandt.
Die Dächer wurden 1936/37 mit braunen Pfannen eingedeckt. Für
die große Schalterhalle hatte Bruno Karberg zwei Fresko-Gemälde
entworfen, die Bergedorfs Geschichte und zum anderen die Entwicklung
der örtlichen Eisenbahnverhältnisse schilderten; sie wurden
Anfang der 50er Jahre überstrichen! Die Türpfosten links und
rechts der Muschelkalk-Wappenplatte auf der Bergedorfer Seite waren
mit Schnitzereien versehen und zeigten eine Vierländerin, einen
Bauern, einen Fabrikarbeiter und den alten Stadtsoldaten.
Nicht unerwähnt sollen einige besondere Züge bleiben, die
hier auch während der Bauphase zwischen Hamburg und Berlin verkehrten.
So fuhr der sog. Schienenzeppelin (auch als Kruckenberg'scher Propellerwagen
bezeichnet) am 21. Juni 1931 bei Probefahrten innerhalb 1 Std. 38 Min.
von Bergedorf nach Spandau; Reisegeschwindigkeit 157 km/h, Spitzenge-schwindigkeit
230km/h. Weitere Probefahrten wurden im April 1933 durchgeführt.
Im Sommerfahrplan 1932 legte der FD-Zug die 987 km-Strecke innerhalb
von 3 Std., bei einer Reisegeschwindigkeit von 95,6 km/h, zurück.
Am 15. Februar 1933 begann dann die fahrplanmäßige Fahrt
des „Fliegenden Hamburgers“ (ein zweiteiliger Triebwagen
mit dieselelektrischem Antrieb); Fahrzeit Hamburg-Berlin 2 Std. 12 Min.,
Reisegeschwindigkeit 125,6km/h. Er fuhr auf dieser Strecke bis 1957.
Eine neue Epoche der besseren Vorortverbindung begann, als 1959 die
elektrische S-Bahn von Altona nach Bergedorf und ab 1969 auch nach Aumühle
fuhr. Nach der Grenzöffnung zur DDR nahm ab November 1989 der Zugverkehr
stark zu. So kamen etliche „laute“ Dieselloks der DR auf
der Fernstrecke zum Einsatz, ab September 1990 ist Bergedorf Haltepunkt
der Eilzuastrecke Hamburg-Schwerin und ab Mai 1992 auch für D-Züge
nach Leipzig.
Bis 1996/97 soll nun die DB-Strecke Hamburg-Berlin durchgehend elektrifiziert
und zweigleisig ausgebaut sein. Dafür sind im Bereich der S-Bahn
Extragleise zu legen, ebenerdige Bahnübergänge zu schließen
und Brücken zu erweitern. Für die Bahnanlieger sollen wegen
der dichteren Zugfolge Lärmschutzanlagen dazugebaut werden.
(Text aus dem 180seitigem Buch
"Bergedorf bei Hamburg – Eine reichillustrierte Stadtteilgeschichte"
von Gerd Hoffmann, 2. Auflage 2004)