Bergedorf im 19. Jahrhundert (1800-1849)
Das frühe 19. Jahrhundert brachte dramatische Umbrüche nach Bergedorf: Napoleonische Besatzung, Kontinentalsperre, wirtschaftliche Krisen, aber auch den Beginn der Industrialisierung mit dem Eisenbahnanschluss 1842. Die Revolution von 1848 erreichte selbst das beschauliche Landstädtchen zwischen Lübeck und Hamburg.
1800-1809: Jahrhundertwende und Besatzung
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Um 1800Die Vierlande kultivierten bereits 36 Birnensorten und 20 Apfelsorten – ein Zeichen für die fortgeschrittene Gartenbaukultur der Region.
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14. März 1800Geburt von Georg Friedrich Ritter in Dachwig bei Erfurt. 1829 übernahm er die Bergedorfer Stadtschule, die 1856 in das Gebäude "Brink-Schule" einzog. Bis 1872 wirkte er als deren Rektor. Ritter gehörte zu den Gründern der Bergedorfer Liedertafel (1838) und des Bürgervereins (1847). Er verstarb am 6. Oktober 1879. An ihn erinnert die Rektor-Ritter-Straße.
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16. Juli 1800Der Philosoph Arthur Schopenhauer passierte auf seiner Reise von Hamburg nach Carlsbad und Prag die Elbfähre Zollenspieker. In seinen Aufzeichnungen notierte er: "Wir resiten den 16. Juli gegen 12 Uhr von Hamburg ab, und kamen bey trübem Wetter, nach Stunden, im Zollenspieker an, um uns über die Elbe setzen zu lassen..."
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1803-1805Beginn der Entfestigung des Bergedorfer Schlosses. Die mittelalterliche Festungsanlage verlor ihre militärische Bedeutung.
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Februar 1803Hamburg wurde durch den Reichsdeputationshauptschluss zur "Freien Reichsstadt". Gleichzeitig beschloss man die Verstaatlichung aller kirchlichen Güter. Der katholische Dom fiel an Hamburg. Die Stadt erklärte ihn für einsturzgefährdet, um ihn abreißen zu können. Durch Verkauf von Abbruchrechten und Versteigerung des Inventars wollte die Stadt zusätzliches Geld einnehmen. Ende 1807 war der ehemalige bremische Dom verschwunden!
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1804Die Altengammer Kirchengemeinde erwarb die 1487 gegossene große Domglocke "Celsa". Seitdem hängt sie im Kirchturm von St. Nicolai zu Altengamme. In der Kirche finden sich zudem Banktüren mit Vierländer Intarsienarbeiten aus verschiedenen Zeitepochen – Furnierintarsien von 1805 und 1786 sowie Schnitzarbeiten von 1662.
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1805Ein erster Teil der Wälle um das Bergedorfer Schloss wurde niedergelegt. Auf Anregung des Amtsverwalters Dr. Lindenberg (1814-1851) verwandelte man die gewonnene Fläche in eine Park- und Gartenanlage. Er ließ auch einen sogenannten Küchengarten anlegen, der 1888 in städtischen Besitz überging und zum Kaiser-Wilhelm-Platz wurde. Dr. Kauffmann, der letzte Amtsverwalter, sorgte für die gute Erhaltung von Park und Garten.
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13. März 1805Die Deiche an der Elbe brachen und das alte Besenhorst ging unter (es lag bei der heutigen Staustufe). Die Besenhorster siedelten daraufhin auf höher gelegenem Gebiet vor und am Geesthang um (heutige B5).
6. November 1806: Besetzung durch französische Truppen
Das Amt Bergedorf wurde von den Franzosen besetzt. Im Gasthof "Stadt Lübeck" wohnte der bei Ratekau/Lübeck gefangen genommene General Blücher. Die französische Besatzung sollte bis 1814 andauern und das Leben in Bergedorf grundlegend verändern.
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18. Oktober 1806Der 31-jährige Johann Friedrich Baxmann wurde zum Landvogt von Ochsenwerder gewählt. Die Franzosen ernannten den ihnen ergebenen Mann 1811 zum "Maire". Als Tettenborn Anfang 1813 in Hamburg einzog, musste Baxmann nach Mecklenburg fliehen. Als die Franzosen Ende Mai 1813 zurückkehrten, wurde er wieder eingesetzt und rächte sich an seinen Gegnern.
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Oktober 1807Die Domheimfallskommission konnte "reinen Grund" melden und stolz verkünden, dass der Abriss des ehemaligen katholischen Doms der Stadt Hamburg 50.000 Mark eingebracht hatte. Mit den restlichen Dom-Trümmern wurde ein Deichstück in Ochsenwerder ausgebessert.
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1808Der Zeichner Professor C. Suhr veröffentlichte 120 kolorierte Blätter "Der Ausruf in Hamburg". Die Gebrüder Suhr – Christopher (1771-1842), Cornelius (1781-1857) und Peter (1788-1857) – schufen Anfang des 19. Jahrhunderts mehrere Tafelwerke und zahlreiche Hamburg-Ansichten, darunter auch Darstellungen von Vierländerinnen in Trachten.
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9. Oktober 1809Uhrmacher Kessel eröffnete in der damals schmalen und bis 1892 beiderseits bebauten Holstenstraße ein Geschäft vor dem Hasse-Haus. Auf dieses Datum bezog sich später der Nachfolger "Uhren Bach", dessen Geschäft ab den 1970er-Jahren am Beginn der Wentorfer Straße angesiedelt war.
1810-1819: Franzosenzeit und Befreiung
1811-1814: Hamburg und Bergedorf unter französischer Verwaltung
Hamburg wurde dem französischen Kaiserreich einverleibt und als Hauptstadt des "Département des Bouches de l'Elbe" (Elbmündungs-Departement) Teil des napoleonischen Reiches. Die Kontinentalsperre beeinträchtigte den Handel massiv. Bergedorf litt unter Einquartierungen, Requisitionen und den wirtschaftlichen Folgen der Besatzung. Erst 1814 endete die französische Herrschaft.
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1820Gründung der Holzhandlung H.G. Behr mitten in der Bergedorfer Innenstadt (Kupferhof/Schleusengraben). Der Betrieb blieb an diesem Standort bis zum Brand von 1969 und wurde 1970 am Curslacker Neuer Deich neu aufgebaut.
1820-1829: Biedermeier und Gemeinwesen
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1823Erbauung der Bergedorfer Windmühle an der Chrysanderstraße als Lohmühle. Nach Aufhebung des Mühlenzwangs um 1865 wurde sie als Kornmühle genutzt. Die Familie Jürs betrieb sie ab 1909 bis zur Stilllegung 1968.
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1829Der Chronist C.G. Behrens schrieb: "Die vortheilhafte Lage von Bergedorf an der großen Landstraße, welche von Hamburg und anderen Orten einerseits durch das Lauenburgische und Mecklenburgische nach Preußen, anderseits nach Hannover führt, verschafft dem Orte mannigfaltigen Verkehr und ist hauptsächlich das Mittel die Wohlhabeheit der Bewohner des Städtchens zu befördern..."
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12. April 1829Hein Rohlfs, Käthner aus Kirchwerder, unterzeichnete seinen "Vierlander Land-Bürger-Eid": "Ich gelobe und schwere, daß ich beyden Löblichen Städten Lübeck und Hamburg, und deren anwesenden Herrn Amts-Verwalter, will getreu, hold und gehorsam seyn..." Er verpflichtete sich zur Zahlung von Steuern und Abgaben: Türkenschatz, Schoß, Morgen-Schatz, Accise und weiteren Lasten.
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22. April 1829Philipp Riege erhielt in Ochsenwerder die Schankrechte für einen Gasthof bei der Kirche. Der heutige Bau aus den 1920er-Jahren wird nur noch bei Dorffesten oder für Filmaufnahmen geöffnet.
1830-1839: Wirtschaftlicher Aufschwung
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1830-1865Hauptzeit des Blutegel-Handels, den Vierländer als reisende Händler aus Russland hierher betrieben. Die medizinische Verwendung von Blutegeln war im 19. Jahrhundert weit verbreitet.
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1830In Bergedorf wurde ein Verein für unentgeldliche Brotverteilung an Arme für den Winter eingerichtet – Zeichen wachsender bürgerlicher Sozialfürsorge.
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1830Die Landherrenschaft Bill- und Ochsenwerder wurde in die "Landherrenschaft der Marschlande" verwandelt. Ihre sachliche und territoriale Zuständigkeit deckte sich im Wesentlichen mit der ihrer Vorgängerbehörde. Sie bestand bis 1928.
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1831Erbauung der Bergedorfer Windmühle an der Chrysanderstraße.
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1838Gründung der Bergedorfer Liedertafel – einer der ältesten Gesangsvereine Norddeutschlands. Georg Friedrich Ritter gehörte zu den Gründungsmitgliedern.
1840-1849: Eisenbahn und Revolution
5. Mai 1842: Der Eisenbahnanschluss
Die Eröffnung der Hamburg-Bergedorfer Eisenbahn markierte den Beginn eines neuen Zeitalters. Bergedorf erhielt Anschluss an das entstehende europäische Eisenbahnnetz. Die Fahrt nach Hamburg dauerte zunächst etwa 30 Minuten – eine Revolution der Mobilität! Die Strecke sollte später bis Berlin verlängert werden und wurde zur wichtigsten Ost-West-Verbindung Norddeutschlands.
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15. Juni 1842Beginn der ersten Probefahrten auf der neuen Eisenbahnstrecke von Hamburg nach Bergedorf.
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7. Juli 1843Gründung der "Bergedorfer Eisenbahn-Zeitung" – eine der ersten Lokalzeitungen in der Region. Sie dokumentierte das Leben im aufstrebenden Eisenbahnknotenpunkt.
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1847Gründung des Bergedorfer Bürgervereins durch fortschrittliche Bürger. Georg Friedrich Ritter gehörte zu den Gründungsmitgliedern. Der Verein setzte sich für kommunale Belange und bürgerliche Interessen ein.
1848: Die Revolution erreicht Bergedorf
Die revolutionäre Bewegung von 1848 erfasste auch das beschauliche Bergedorf. Am 27. Februar gründete sich die Bergedorfer Bürgerwehr (heutige Schützengesellschaft) unter Kommandant Dr. Bülow, dem Leiter des "Erziehungsinstituts" am Neuer Weg. Am 16. Juli hielt die Bürgerwehr ihre erste Parade ab. Die Bergedorfer hatten als Bewohner eines beiderst& auml;dtisch verwalteten Gebiets "halbierte Stimmen" – sie wählten je zur Hälfte für Hamburg und Lübeck zur Deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche.
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18. April 1848Bekanntmachung zur "Wahl zu der deutschen National-Versammlung im Amte und Städtchen Bergedorf". Die Bergedorfer hatten als beiderst& auml;dtisch Verwaltete "halbierte Stimmen" für die zu wählenden Abgeordneten aus Hamburg und Lübeck.
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22. April 1848Allgemeine Wahl der Hamburger Abgeordneten Dr. Heckscher, Ernst Merck und Ed. Roß (ab 13. Dezember G. Goderoy) zur deutschen Nationalversammlung in den Marschlanden und im Amt Bergedorf.
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29. April 1848Wahl des Lübecker Abgeordneten durch Urwahlen (per Wahlmänner) auch im Amt Bergedorf.
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3. Mai 1848Tod von Nicolaus Daniel Hinsche im Alter von 77 Jahren (geboren 29. Dezember 1771). Seit 1828 stand er an der Spitze Bergedorfs. Er schuf den Alten Friedhof auf dem Gojenberg, wo er auch begraben wurde. Als Dichter "Winfried" wurde er literarisch interessierten Zeitgenossen bekannt. Die "Daniel-Hinsche-Straße" in Bergedorf trägt seinen Namen.
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15. Mai 1848Die ersten allgemeinen Wahlen in Bergedorf fanden statt. Die beiderst& auml;dtische Behörde ließ die Wahl von sechs Deputierten zu, die die von Hamburg und Lübeck eingesetzten Kommissionen beraten sollten. 222 Bürger beteiligten sich an der Wahl.
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18. Mai 1848Die Deutsche Nationalversammlung trat in der Frankfurter Paulskirche zusammen. Zum Präsidenten wurde der Liberale Freiherr Heinrich von Gagern gewählt.
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20. September 1848Nach dem Austritt etlicher von der 1848er-Entwicklung enttäuschter Mitglieder wurde ein neuer BBV-Vorstand gewählt. Erster Vorsitzender war 1848 Joh. Georg Baumgarten (genannt Müller); von 1848-1856 folgte Heinrich August Droste. Weiter verfolgt wurden die Gründung der Sparkasse und andere Projekte.
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1849Die ersten Statuten der Bergedorfer Liedertafel wurden gedruckt von der Druckerei der Bergedorfer Eisenbahn-Zeitung.
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1849Für Bergedorf wurde eine Sparkasse gegründet, die Einlagen von 8 Schilling bis 50 Mark entgegennahm. Die Einzahler waren durch ein Aktienkapital von 5.000 Mark gesichert. Die Kasse war jeden Sonnabend von 8-9 Uhr geöffnet.
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18. Dezember 1849Bestimmung, nach welcher in Bergedorf die Marktfreiheit bestand (wurde 1894 eingeschränkt mit Polizeistunde etc.).