Die 1910er Jahre in Bergedorf

Industrialisierung, Erdgas und kultureller Aufbruch

Die 1910er Jahre: Technischer Fortschritt und Umbruch

Historisches Foto aus den 1910er Jahren in Bergedorf

Elektrobetrieb Warmer - Symbol des technischen Fortschritts

1910

Bau der modernen Abwasseranlage - Am Curslacker Neuer Deich entstand die erste Bergedorfer Klaranlage. Diese technische Errungenschaft markierte einen bedeutenden Schritt in der sanitaren Infrastruktur des Bezirks und verbesserte die hygienischen Verhaltnisse der wachsenden Bevolkerung erheblich.

Visionare Stadtplanung - Der Bergedorfer Architekt Hermann Distel veroffentlichte im Sammelband "Gross-Hamburgische Streitfragen" seinen Artikel "Hamburg-Ost". Darin skizzierte er zukunftsweisende Ausbaumoglichkeiten zwischen Hamburg und Bergedorf, darunter verschiedene Bahnlinien nach Sande und Wentorf. Seine Plane sollten die Verkehrsanbindung der Region revolutionieren.

Einfuhrung der Autokennzeichen - Hamburg begann mit der systematischen Registrierung von Kraftfahrzeugen. Zuvor trugen Automobile lediglich einen funfzackigen Stern mit einer Polizeinummer. Die neuen weissen Schilder mit schwarzer Schrift (z.B. HH 15 741) blieben bis 1945 in Gebrauch.

Innovativer Wohnungsbau - Das neuartige 40-Parteien-Familienwohnhaus "Rosenhof" in der Soltaustrasse (damals Gartnerstrasse) wurde fertiggestellt. Die Gartnereibesitzer Struss und Noack realisierten damit ein fortschrittliches Wohnkonzept fur die wachsende stadtische Bevolkerung.

Grundung der Hasse-Gesellschaft - Im Gasthof "Stadt Hamburg" versammelten sich Kulturinteressierte unter Leitung von Amtsrichter Dr. Oswald Seebohm, Andreas Spiering und Kapellmeister Carl Grau zur Grundung einer musikalischen Vereinigung. Die Gesellschaft widmete sich dem Werk des Komponisten Johann Adolf Hasse und spater auch Georg Friedrich Handel. Der Bergedorfer Musikforscher Dr. Friedrich Chrysander hatte zuvor Handels Werke neu erschlossen - "Von Bergedorf aus nahmen Hasse- und Handel-Renaissance ihren Ausgang", wie Prof. Dr. Ferdinand Pfohl feststellte.

Schiessclub "Vierlandria" gegrundet - Zehn junge Manner aus Curslack trafen sich im Hause Heinrich Timmanns zur Vereinsgrundung. Zuvor hatte der ortliche Gendarm sie wiederholt beim unerlaubten Schiessen im Vorland der Dove-Elbe ertappt. Der neue Club sollte fortan fur geordnete Ubungsmoglichkeiten sorgen.

Das Flammenkreuz von Neuengamme - Bei Bohrarbeiten nach Trinkwasser in der Neuengammer Feldmark stiess ein Bohrtrupp in 247 Metern Tiefe auf Erdgas. Das Gas entzundete sich und brannte spektakular. Das "Flammenkreuz" lockte in den folgenden Tagen Tausende Schaulustige an - die Bahn setzte Sonderzuge ein! Am 24. November wurde die Flamme geloscht und das Gas dem Hamburger Stadtgasnetz zugefuhrt. Dieser Fund markierte den Beginn der Erdgasfoderung in den Vier- und Marschlanden. Eine Gedenktafel am Erdgasspeicher Reitbrook erinnert seit 2011 an dieses historische Ereignis.

Tod des Kunstlers Friedrich Stoffert - In Berlin verstarb der Bergedorfer Kaufmann und Kunstler Friedrich Stoffert (geboren 1817). Seit seiner Jugend hatte er sich der Federzeichnung sowie Ol- und Aquarellmalerei gewidmet. Seine Werke und illustrierten "Jugenderinnerungen" gelangten in die Heimatsammlung des Burgervereins und befinden sich heute im Museum fur Bergedorf und die Vierlande.

1911

Archaologische Entdeckungen - Beim Hausbau in der Grossen Strasse kamen vorgeschichtliche Funde ans Tageslicht: eine fruhe Feuerstelle, eine bronzene Riemenspange, Wurfspeer, Axt und eiserne Speerspitzen. Diese Funde bezeugen eine jahrtausendealte Besiedlungsgeschichte des Gebiets.

Grundung des Elektrobetriebs Warmer - Rolf Warmer eroffnete seinen Elektrobetrieb, zunachst mit einem Ladengeschaft. Das Unternehmen bestand uber Generationen und siedelte in den 1980er Jahren ins Gewerbegebiet Boberg um - ein Zeugnis des technischen Wandels im Bezirk.

Baubeginn der Vierlander Bahn - Die Arbeiten fur die neue Bahnstrecke von Bergedorf durch die Vierlande nach Zollenspieker begannen. Diese Verbindung sollte die landlichen Gebiete besser an das stadtische Zentrum anbinden und den Guterverkehr erleichtern.

Briefmarkensammler organisieren sich - Vierzehn Burger grundeten in "Baumanns Gesellschaftshaus" einen Briefmarkensammler-Verein. Angesichts der zahlreichen Falschungen der Bergedorfer Briefmarken (1861-67) legten die Sammler sogar eine spezielle Falschungssammlung an.

Einweihung des Jahn-Denkmals - Im Bergedorfer Schlossgarten wurde feierlich das Denkmal fur den "Turnvater" Friedrich Ludwig Jahn enthullt. Die Bergedorfer Liedertafel von 1838 sang bei der Zeremonie, anschliessend fanden Turnvorfuhrungen auf dem Frascati-Platz statt.

Gesangverein "Germania" Kirchwarder - Dreiundzwanzig Manner grundeten den Mannerchor bei der Kirche. 1966 schlossen sich die Sanger mit dem Chor "Concordia" zusammen, bevor die vereinigte Chorgemeinschaft 1978 aufgelost wurde.

Quellenhinweis: Die für diesen Zeitabschnitt ausgewählten Chronikdaten basieren auf historischen Aufzeichnungen.