Drei Bahnhofsbauten seit 1842
Die Geschichte des Bergedorfer Bahnhofs ist eng mit der Entwicklung des deutschen Eisenbahnwesens verknüpft. Von einem bescheidenen Holzbau bis zum modernen Verkehrsknotenpunkt – eine Chronik der Transformation über drei Bahnhofsgenerationen.
Der erste Bahnhof: Ein Holzbau als Endstation
Als im Mai 1842 die erste Eisenbahnverbindung zwischen Hamburg und Bergedorf feierlich eröffnet wurde, markierte dies einen Wendepunkt in der Verkehrsgeschichte der Region. Der erste Bahnhof – ein kleines Holzgebäude mit charakteristischem Turm am Neuen Weg 54, ergänzt durch das angrenzende "Frascati" – diente zunächst als Endstation der Strecke.
Doch diese Rolle als Endpunkt sollte nicht lange währen. Die ursprünglichen Planungen aus den Jahren 1840 bis 1842 sahen eine Weiterführung der Trasse nach Berlin über Geesthacht, Lauenburg und Boizenburg vor. Diese Route musste jedoch aufgrund politischer Intervention grundlegend geändert werden.
Politische Weichenstellungen und der zweite Bahnhof
Der dänische König forderte nachdrücklich, dass seine Amtssitze in Reinbek und Schwarzenbek Bahnanschluss erhalten sollten. Diese politische Forderung führte zur Änderung der Streckenführung: Statt über Geesthacht führte die neue Route nun über Reinbek, Schwarzenbek und Büchen nach Boizenburg.
Diese Entscheidung machte den Bau eines zweiten, größeren Bahnhofs in Bergedorf erforderlich. Der neue Standort lag an der damaligen Kampstraße/Holstenstraße. Architekt der neuen Anlage war derselbe Planer, der auch die Bahnhöfe in Reinbek, Schwarzenbek und Ludwigslust entwarf – alle Gebäude ähnelten sich daher in ihrer Bauweise.
Die zunehmende Verkehrsdichte machte Anfang des 20. Jahrhunderts bauliche Anpassungen notwendig. Ein Tunnel verband fortan Bahnsteig 1 (für ankommende Züge aus Hamburg) mit Bahnsteig 2 (für abfahrende Züge nach Hamburg). Diese Maßnahme erhöhte die Sicherheit der Reisenden erheblich, die zuvor die Gleise direkt überqueren mussten.
Ab 1906 ergänzte der Bahnsteig der Bergedorf-Geesthachter Bahn die Anlage. Reisende konnten nun bequem zwischen den verschiedenen Linien umsteigen.
Der lange Weg zum dritten Bahnhof
Ende November 1927 berichtete das "Hamburger Fremdenblatt" von Plänen zum Umbau: Der Bergedorfer Staatsbahnhof, erbaut zu einer Zeit als Bergedorf lediglich 2.500 Einwohner zählte, gehörte zu den ältesten Bahnhöfen Deutschlands. Die Reichsbahngesellschaft und die Hamburger Senatskommission hatten die grundsätzlichen technischen Fragen für so weit geklärt, dass über die Kostenverteilung verhandelt werden konnte.
Doch zwischen dieser Ankündigung und der tatsächlichen Fertigstellung sollten noch zehn Jahre vergehen. Die technischen Herausforderungen waren immens: Der Bahnkörper musste höher gelegt werden, ohne dass der durchgehende Zugverkehr auf der Hauptstrecke Hamburg-Berlin oder der Vorortverkehr nach Büchen behindert werden durfte.
Die Lösung war aufwändig: Zunächst errichtete man eine Spundwand, schüttete nördlich davon den Damm auf und baute die neuen Bahnsteige 3 und 4. Erst danach konnten die schienengleichen Straßenübergänge an der Alten Holstenstraße und der Kampchaussee aufgehoben werden. Die Kampchaussee-Brücke wurde am 3. Oktober 1933 fertiggestellt, die Holstenstraßen-Brücke folgte am 7. Dezember 1934.
Ab 30. November 1934 erhielt die Lohbrügger Seite ihren eigenen Ausgang. Der Zugverkehr zwischen Hamburg und Berlin wurde bereits ab November 1934 über die fertiggestellten hochgelegten Gleise von Bahnsteig 2 geleitet.
Die Eröffnung 1937: Ein moderner Verkehrsknotenpunkt
Im Sommer 1936 begannen schließlich die Hochbauarbeiten auf der Bergedorfer Seite samt Neugestaltung des Bahnhofsplatzes. Nach achtjähriger Bauzeit konnte am 29. Oktober 1937 der neue, dritte Bahnhof feierlich in Betrieb genommen werden.
Das Empfangsgebäude auf der Bergedorfer Seite beeindruckte mit seiner großzügigen Schalterhalle, Gepäckbeförderung, Bahnhofsrestaurant, Wartesaal, WC-Anlagen und Kiosk. Westlich entstand ein Bahnmeister-Dienstgebäude mit Wohnung für den Dienststellenvorsteher. Die überdachte Gepäck-Karrenbahn im Verbindungsbau bot Platz für die Fahrrad-Aufbewahrung.
Architektonisch überzeugte der Bau mit rotbunten Klinkern kleineren Formats. Für Tür- und Fenstergewände verwendete man Thüringer Muschelkalkstein und Kunstwerkstein, die Dächer deckten 1936/37 braune Pfannen. In der großen Schalterhalle zierten zwei Fresko-Gemälde von Bruno Karberg die Wände – eines zur Bergedorfer Geschichte, das andere zur Entwicklung der örtlichen Eisenbahnverhältnisse. Leider wurden diese Kunstwerke Anfang der 1950er Jahre übermalt.
Künstlerische Details prägten auch die Türpfosten links und rechts der Muschelkalk-Wappenplatte auf der Bergedorfer Seite: Schnitzereien zeigten eine Vierländerin, einen Bauern, einen Fabrikarbeiter und den alten Stadtsoldaten.
Legendäre Züge und technische Rekorde
Die Strecke durch Bergedorf war Schauplatz bemerkenswerter technischer Entwicklungen. Der sogenannte Schienenzeppelin – auch als Kruckenberg'scher Propellerwagen bekannt – absolvierte am 21. Juni 1931 Probefahrten von Bergedorf nach Spandau in nur 1 Stunde und 38 Minuten bei einer Reisegeschwindigkeit von 157 km/h und einer Spitzengeschwindigkeit von 230 km/h.
Im Sommerfahrplan 1932 legte ein FD-Zug die 987 Kilometer lange Strecke innerhalb von drei Stunden bei einer Reisegeschwindigkeit von 95,6 km/h zurück. Am 15. Februar 1933 nahm der berühmte "Fliegende Hamburger" – ein zweiteiliger Triebwagen mit dieselelektrischem Antrieb – seinen fahrplanmäßigen Betrieb auf. Er bewältigte die Strecke Hamburg-Berlin in beeindruckenden 2 Stunden und 12 Minuten bei einer Reisegeschwindigkeit von 125,6 km/h und verkehrte bis 1957 auf dieser Route.
Die moderne Ära: S-Bahn und Elektrifizierung
Eine neue Epoche begann 1959 mit der Einführung der elektrischen S-Bahn von Altona nach Bergedorf. Die Verbindung wurde 1969 bis Aumühle verlängert und verbesserte die Vorortanbindung erheblich.
Nach der Grenzöffnung zur DDR im November 1989 nahm der Zugverkehr deutlich zu. Dieselloks der DR prägten zunächst das Bild auf der Fernstrecke. Ab September 1990 wurde Bergedorf Haltepunkt der Eilzugstrecke Hamburg-Schwerin, ab Mai 1992 auch für D-Züge nach Leipzig.
Die fortschreitende Modernisierung umfasste die durchgehende Elektrifizierung und den zweigleisigen Ausbau der DB-Strecke Hamburg-Berlin. Dafür wurden im S-Bahn-Bereich zusätzliche Gleise verlegt, ebenerdige Bahnübergänge geschlossen und Brücken erweitert. Zum Schutz der Bahnanlieger vor der dichteren Zugfolge entstanden Lärmschutzanlagen.
Ein Verkehrsknotenpunkt mit Geschichte
Der Bergedorfer Bahnhof spiegelt in seiner baulichen Entwicklung die Geschichte des deutschen Eisenbahnwesens wider. Von den bescheidenen Anfängen eines Holzbaus über den durch politische Entscheidungen erzwungenen Neubau bis zum modernen Verkehrsknotenpunkt – jede Phase erzählt von den wachsenden Anforderungen an Mobilität und Infrastruktur.
Heute verbindet der Bahnhof als wichtiger Knotenpunkt im Hamburger Verkehrsnetz S-Bahn, Regional- und Fernverkehr. Er steht als Zeugnis einer über 180-jährigen Eisenbahngeschichte, die Bergedorf nachhaltig geprägt und mit der großen weiten Welt verbunden hat.